
Wer heute wirksam führen oder ein Unternehmen verantwortungsvoll steuern will, kommt an einem Stichwort kaum vorbei: Empathie. Gemeint ist die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, ihre Gefühle, Motive und Sichtweisen nachzuvollziehen. Empathie gilt als Schlüsselkompetenz moderner Führung – und das zurecht. Doch was oft übersehen wird: Empathie allein genügt nicht. Wer in seiner Führungsrolle dauerhaft leistungsfähig, klar und souverän bleiben will, braucht noch etwas anderes. Eine Fähigkeit, die weniger bekannt, aber genauso wichtig ist: Ekpathie.
Was ist Ekpathie – und warum ist sie so entscheidend?
Ekpathie bedeutet: Ich kann mich abgrenzen, ohne mich abzukapseln. Ich nehme Emotionen wahr, lasse mich aber nicht vereinnahmen. Wo Empathie das Mitfühlen beschreibt, steht Ekpathie für die innere Distanz bei emotionaler Nähe. Es geht darum, die emotionale Ladung meines Gegenübers nicht ungefiltert in mich aufzunehmen – sondern bei ihm oder ihr zu lassen.
Diese Fähigkeit ist im Businesskontext enorm wichtig. Als Führungskraft, Unternehmer:in oder Selbstständige:r sind Sie täglich mit Emotionen anderer konfrontiert – von Mitarbeitenden, Kund:innen, Partnern, Dienstleistern. Wer alles aufnimmt, überlädt sich. Wer alles mitschwingt, verliert den eigenen Kurs.
Ekpathie schafft hier Klarheit. Sie schützt Ihre mentale und emotionale Kapazität – und ermöglicht zugleich eine respektvolle, konstruktive Beziehungsgestaltung.
Empathie + Ekpathie = Führungsstärke
Besonders in fordernden Situationen – bei Konflikten, Veränderungsprozessen oder Überforderung im Team – braucht es nicht nur Einfühlung, sondern auch emotionale Souveränität. Und die entsteht durch das Zusammenspiel von Empathie und Ekpathie.
Ein Beispiel:
- Ein Teammitglied ist überfordert, müde, emotional.
- Sie nehmen das ernst, hören zu, zeigen Mitgefühl.
- Aber: Sie übernehmen die Emotion nicht. Sie bleiben innerlich stabil, klar, lösungsorientiert.
Genau das ist ekpathisches Verhalten. Und es macht den Unterschied zwischen „sich kümmern“ und „sich verlieren“.
Führung bedeutet auch emotionale Grenzsetzung
Viele Führungskräfte und Selbstständige haben ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl – nicht nur für Zahlen und Strategien, sondern auch für Menschen. Das ist wertvoll. Doch es birgt ein Risiko: Die emotionale Überidentifikation.
Wer ständig mitfühlt, läuft Gefahr, die Rolle zu vermischen – als Coach, Retter:in, Mediator:in oder gar „Therapeut:in wider Willen“. Ekpathie hilft, diese Dynamik zu erkennen und bewusst zu steuern.
Sie bedeutet nicht Kälte, sondern Klarheit. Nicht Abwehr, sondern Abgrenzung. Und sie erlaubt Ihnen, wirksam zu bleiben – gerade dann, wenn es menschlich schwierig wird.
Ekpathie ist trainierbar
Die gute Nachricht: Ekpathie ist keine angeborene Fähigkeit, sondern eine Haltung, die sich entwickeln lässt. Dass empathische Reaktionen bewusst reguliert und kontextabhängig gesteuert werden können, zeigt auch ein aktueller Fachaufsatz im Journal Frontiers in Psychology: (State) empathy: how context matters.
Dort wird differenziert beschrieben, wie Empathie automatisch entsteht – und durch mentale Selbststeuerung abgegrenzt werden kann. Genau hier liegt die psychologische Grundlage der ekpathischen Kompetenz.
Fünf Impulse für mehr ekpathische Kompetenz im Führungsalltag:
- Eigene Emotionen bewusst wahrnehmen: Wie geht es mir gerade – emotional, körperlich, gedanklich?
- Mentale Distanz aktivieren: Stellen Sie sich eine symbolische Grenze vor – z. B. eine transparente Wand.
- Nicht sofort reagieren: Wenn Emotionen hochkochen: ausatmen. Füße spüren. Stille aushalten.
- Verantwortung klar sortieren: Wer ist wofür zuständig?
- Mitgefühl statt Mitleid kultivieren: Mitleid schwächt. Mitgefühl verbindet – ohne Selbstverlust.
Fazit: Ekpathie ist Leadership-Kompetenz
In Zeiten, in denen emotionale Intelligenz zur Schlüsselressource wird, ist Ekpathie ein oft übersehener Erfolgsfaktor. Sie bewahrt vor Überforderung, schützt die eigene Klarheit – und ermöglicht echte Wirksamkeit im Miteinander.
Führung, die nur auf Empathie setzt, kann ins Schlingern geraten. Führung mit Ekpathie dagegen ist tragfähig, differenziert und professionell.
Denn: Wer andere souverän begleiten will, muss sich selbst führen können. Und das beginnt mit der Fähigkeit, mitfühlend präsent zu sein – ohne sich zu verlieren.
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Bleiben Sie bei sich – dann bleiben Sie wirksam.
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